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Mobbing

Mobbing-Definition

„Mobbing ist eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von einer oder einigen Personen systematisch, oft oder während einer längeren Zeit, mit dem Ziel oder dem Effekt des Ausstoßens aus dem Arbeitsverhältnis aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet.“ (Leymann, S. 18)

Einordnung eines relativ jungen Phänomens

Mobbing ist sowohl Symptom als auch Faktor einer zunehmend härter werdenden Arbeitswelt.

Ende der siebziger Jahre führte der schwedische Arzt und Psychologe Heinz Leymann diesen Begriff in die Arbeitswissenschaft ein. Aber noch in den neunziger Jahren überwog die Interpretation des Phänomens als Rand- oder Modeerscheinung. Mittlerweile herrscht Einigkeit darüber, daß sich das Mobbing als feste Instanz in der Arbeitswelt etabliert hat. Besonders Menschen, d.h. Kollegen oder Vorgesetzte, die nicht durch überragende Kompetenz und Effektivität beeindrucken können, versuchen immer öfter, sich auf Kosten mental Schwächerer zu profilieren oder zu behaupten. In Deutschland sind gegenwärtig täglich schätzungsweise eine Million arbeitende Menschen von Diskriminierungen bzw. Gewaltakten dieser Art betroffen. Seit dem Eintritt der kapitalistischen Ordnung in die Phase des Neoliberalismus, also seit circa zwanzig Jahren, ist in vielen Bereichen der Arbeitsplatz aus einem Ort, in dem die allermeisten Ausgebildeten jedweden Niveaus ihren Lebensunterhalt und ihre Selbstbestätigung auf berechenbare Weise und langfristige Sicht beziehen, zu einem Kampfplatz geworden. Auf diesem Kampfplatz geht es nicht nur um die Aufrechterhaltung eines Arbeitsverhältnisses, sondern um das Überleben der Persönlichkeit. Beim Mobbing wird nicht nur die Arbeitskraft in Frage gestellt und verhöhnt – im Kern zielt dieser aggressive Akt immer auf Zerstörung der psychischen Identität einer Persönlichkeit als ganzer. Ein Arbeitnehmer wird nach kurzer oder auch längerer Zeit einer gleichberechtigten Rolle im Arbeitskollektiv zum Außenseiter gemacht und erklärt. Er nimmt Sündenbock-Funktion ein in einer Gruppe von Menschen, die sich diffus ängstigt und bedroht fühlt von verschiedenen Aspekten der neuen, modernen Arbeitswelt: dem permanenten Leistungs- und Effektivitätsdruck, dem Damoklesschwert der Arbeitslosigkeit, dem unsolidarischen und unkollegialen Verhalten ihrer Kollegen, eigener Erkrankung, Unzulänglichkeit und Versagen und finanzieller Not, m.a.W.: von einer allgemeinen Verunsicherung.

Mobbing aus psychologischer Sicht

Der Streß, den dieser permanente Druck auf Besitzer (bzw. „Pächter“) heutiger Arbeitsplätze auslöst, wird von diesen von Fall zu Fall in aggressivem Verhalten gegenüber ihrer Meinung nach geeigneten „Opfertypen“ abreagiert. Ohnmächtig und ausgeliefert, wie sie sich die meiste Zeit über fühlen, erkämpfen sich solche „Täter“ für einige Augenblicke des Tages das Gefühl, selbst einmal Macht über einen Menschen, einen Prozeß zu besitzen, indem sie die dunkelsten Seiten iher Persönlichkeit, die im allgemeinen kulturell überformt in eine zivilisierte Nische verbannt sind, ausleben. Den Kern dieser Sozialpathologie sieht Schmidbauer in verweigerter Empathie. Der Mobber entwertet sein Opfer, um durch dessen Ausgrenzung sein eigenes Selbstgefühl zu bewahren. Mobbing ist eine Form manischer Abwehr von Angstgefühlen – kollektiven und individuellen. In den meisten Fällen, in denen der Mobber ein Einzeltäter ist, läßt dieser seine Wut darüber aus, daß eine Person bestimmte Erwartungen, die er in sie gesetzt hat, nicht erfüllt. Er reagiert auf Kränkungen mit regressiven Zerstörungswünschen. (vgl. Schmidtbauer, Herz, S. 67-74)

Angesichts der zunehmenden Atomisierung der Individuen und ihrer wachsenden Entscheidungsverpflichtungen steigt das Anerkennungsbedürfnis auf nahezu nicht mehr zu befriedigende Weise an, denn der einzelne muß sich beständig seiner selbst vergewissern, und dazu braucht er seine Mitmenschen. Anerkennung, Achtung und Bestätigung sind zu einem knappen Gut geworden. Kränkungen und Frustrationen sind heute schlechter verarbeitbar und integrierbar als in Zeiten, da der einzelne noch einen stabilen Platz in einer sozialen Gemeinschaft inne hatte, der ihm eine gewisse Sicherheit und ein Selbstvertrauen verlieh, das er nicht erst durch Leistung erarbeiten mußte. Die wachsende Aggressivität zwischen den Menschen hat also entscheidend mit Verletzbarkeit und Frustrationen zu tun, die nur noch geringem Maße kompensierbaren sind.

Besitzt das Opfer ebenfalls wenig Selbstvertrauen, kann es die Mobbing-Situation u.U. nicht verlassen, da es um erneute Anerkennung und Achtung seiner Persönlichkeit ringt. Ein Burnout des Opfers kann die Folge sein.

Mobbingbegünstigende Faktoren

Gemobbt wird aber nicht unter allen Bedingungen. Aufgrund der mittlerweile ausgewerteten Erfahrungen kann man Faktoren benennen, die psychische Gewalt am Arbeitsplatz begünstigen, ja diese sogar relativ wahrscheinlich sein lassen. Eine sensible Unternehmensleitung sorgt dafür, daß solche Umstände dezimiert, solche Quellen trockengelegt werden:

Der Unternehmenskultur, insb. der Personalpflege, wird zu wenig Aufmerksamkeit geschenk. tDie Arbeit ist schlecht organisiert, was zu einer Atmosphäre von Überforderung, Desorientiertheit, Leistungsdruck und Streß führt

Die Arbeitsgestaltung ist mangelhaft: monotone oder unterfordernde Tätigkeiten führen zu Frust und Langeweile, Überforderung zu Angst

Ständige Umstrukturierungen mit Personalabbau verursachen Verunsicherung, Desorientierung und Angst

Eine zivilisierte Gesprächskultur fehlt: bei Konflikten werden statt Lösungen Schuldige gesucht

Autoritärer Führungsstil: statt Sachargumenten entscheidet die Meinung des Vorgesetzten; es wird kaum gelobt, dafür ständig getadelt